
Nie mehr "oben ohne"
Polizist David Saalfelder klärt Landrat Ben Schwarz zum Thema Fahrradhelm auf – für eine neue Aktion machen die gemeinsame Sache
Stand: 23.03.2025
Zugegeben, ein Detail der Szene ist gestellt. Landrat Ben Schwarz kommt mit dem Dienst-E-Bike den Berg zum Amt heraufgefahren, Polizist David Saalfelder hält ihn an. Fehlender Helm, moniert der Beamte. Dass beide mitspielen, hat einen ernsten Hintergrund – und eine etwas überraschende Zielgruppe vor Augen.
Überraschend nicht zuletzt, weil David Saalfelder Jugendverkehrserzieher der Polizeiinspektion (PI) Roth ist, man also meinen könnte, es geht um die Kleinen. Dennoch rücken er und seine Kollegen zum Start ins Frühjahr die Altersgruppe 65 plus in den Fokus der Aktion „Helm auf“. Warum? Senioren auf einem E-Bike oder Pedelec seien schlicht unfallgefährdeter, sensibilisiert der Polizeioberkommissar. Zwar gelte für alle, die mit Motorunterstützung unterwegs sind, durch höhere Geschwindigkeiten und größeres Gewicht, ein höheres Risiko. „Wenn dann noch mangelnde Praxis oder geringere körperliche Fitness hinzukommt…“
Saalfelder kann das so gut einschätzen, weil er seit längerer Zeit in Kooperation mit der Verkehrswacht Fahrsicherheitstrainings für Senioren auf dem Pedelec anbietet. Er sieht, mit welchen Schwierigkeiten gerade ältere Radler zu kämpfen haben. Enge Kurven, Bremsen bergab, Anfahren am Berg, vielleicht noch eine einzelne schwere Seitentasche („einseitig ist ein Problem“) oder eine Kombination, „alles nicht ohne“, betont der Beamte. Das Rad zu unter- oder sich zu überschätzen, das sei die größte Gefahr.
Um die Menschen zu erreichen, haben sich Saalfelder und seine Kollegen etwas Besonderes ausgedacht. Wer sich in einem der vier Fahrradgeschäfte im Landkreis in den kommenden Monaten ein E-Bike kauft, erhält einen Gutschein für ein Sicherheitstraining. „Die Händler waren sofort begeistert“, berichtet der Polizist.
Die Seminare wecken Ben Schwarz‘ Interesse. Was wird denn da so gemacht? „Nach einem theoretischen Teil schauen wir zunächst, ob das Rad zum Benutzer passt.“ Von zu groß bis zu klein komme da alles vor, erzählt David Saalfelder. Genau hingeschaut würde am Übungsplatz an der Volksschule Kupferplatte Roth zudem in einem ersten Schritt darauf, wie sich die Radler bewegen, wie sicher sie sind. Am Ende der dreieinhalb, vier Stunden steht immer eine Runde im „echten Verkehr“, schließlich gehe es darum, Sicherheit zu vermitteln. „Die Seminare kommen toll an, haben aber im Vergleich zu dem, was geboten wird und nötig ist, zu wenig Teilnehmer.“
Mit den Seminaren nicht genug. Die Beamten wollen Infostände aufschlagen, mit den Menschen ins Gespräch kommen. Drei Termine bei Fachgeschäften sind schon festgezurrt – der erste am kommenden Mittwoch ab 9 Uhr bei Zweirad Müller in Roth – weitere sollen folgen, angedacht sind Marktplätze, Seen oder Einkaufsmärkte. „Wir möchten einen praxisnahen Weg gehen und die direkte Anrede suchen.“
Denn: Noch immer setzen zu viele Radler keinen Helm auf. „Dabei kann er Leben retten“, verdeutlicht David Saalfelder. Erst vor Kurzem ist es im nördlichen Landkreis zu einem tödlichen Sturz gekommen – der Verunglückte war ohne Kopfschutz unterwegs… „Ich weiß gar nicht, warum die Leute die Sache nicht ernst nehmen.“
Die Termine für die Infostände zum Thema Fahrradhelm sind bei Zweirad Müller Roth am 26. März, bei Zweirad & Sportcenter Janisch (Rednitzhembach) am 4. April, sowie bei Herobikes Rednitzhembach am 12. April, jeweils 9 bis 12 Uhr. Der Samstag, an dem im Radschloss Abenberg informiert wird, wird noch festgelegt.
Zum Besuch bei Ben Schwarz hat Saalfelder ein bestes Anschauungsobjekt mitgebracht. Einen lädierten Helm, seinen eigenen, Resultat eines Unfalls. „Fatal“, entfährt es dem Landrat spontan. „Damit sollte sich die Frage, ob mit oder ohne nicht mehr stellen.“ Anders ausgedrückt: „Nie mehr ohne“. Schwarz spricht von einem wichtigen Thema und einer klasse Aktion der Rother PI, für die er sich gerne vor den Karren spannen lässt. Videodreh inklusive, in dem er – Rückspann auf die Einleitung – für das Skript ohne Helm „erwischt wird“ und sich gerne den Satz anhört: „Ihnen fehlt da was, Herr Schwarz…“ Der Landrat teilt David Saalfelders Ansatz, der lautet: „Wenn wir nur einen erreichen, der dadurch Kopfschutz trägt, haben wir schon gewonnen.“
Das gilt beileibe nicht nur für Senioren, sondern für alle, die auf zwei Rädern unterwegs sind, betonen beide unisono. Wie sie beobachten, dass Eltern meist großen Wert auf den Helm bei ihren Kindern legen, selbst aber „oben ohne“ unterwegs seien. David Saalfelder kennt sämtliche Argumente: Die Frisur, ich schwitze unterm Helm, sieht nicht gut aus, ich fühl‘ mich sicher… . Fakt sei aber, dass die Akzeptanz beim Nachwuchs sinke, wenn Erwachsene – und da darf sich in Augen des Verkehrserziehers Jeder angesprochen fühlen – mit schlechtem Beispiel vorangingen. „Das sollten alle vor Augen haben.“
Was in Kombination mit einem anderen (Negativ)Trend geradezu gravierend ist: Immer mehr Schüler bestehen die Fahrradprüfung nicht, die Zahl der Kinder, die nicht einmal mehr ein Bike zuhause haben, steigt, schildert David Saalfelder seine Erfahrungen. Das bringt ihn zum Thema E-Scooter. Auch da erlebt er Wirres. Zwei Jugendliche auf einem, die rote Ampel interessiert nicht…
Der erfahrene Beamte ist Realist genug, um zu wissen: Auch mit Helm wird es zu Unfällen kommen. Aber wenn Pedelecs (E-Bikes, die eine Versicherungsplakette benötigen, sind in der Region sehr selten) oder E-Scooter involviert sind, sind sie meist mit Personenschäden verbunden. „Aber ohne Helm wärst du halt weg“, versucht er sich erneut in Anschauungsunterricht. Und das Argument „Ich bin ja nur kurz…“ gelte in dem Zusammenhang nicht. „Auch auf den 200 Metern zum Bäcker kann ein Sturz auf die Bordsteinkante mit verheerenden Folgen passieren.“
Nicht zuletzt deshalb möchten David Saalfelder und seine beiden Team-Kolleginnen in Roth, Ulrike Schuster und Nina Knoll, die Fahrradhelm-Aktion zu einem roten Faden machen, der sich durch das ganze Jahr zieht. Ein Faden, der Leben retten kann. Einem, den Landrat Ben Schwarz gerne Zwirn liefert.