Bleistifte gegen Gemüsemesser getauscht

Auszubildende des Landratsamts unterstützen regelmäßig die Ausgabestelle Hilpoltstein der Tafel – wir haben zwei begleitet
Stand: 06.04.2025

Auf den ersten Blick ist es nur das Aussortieren von „schlechten“ Mandarinen. Antonia Korn kann in ihrer Tätigkeit an diesem Mittwochvormittag aber schnell mehr abgewinnen. „Es ist ein schöner Gedanke, dass später bedürftige Menschen kommen und sich das holen können“, sagt die angehende Diplom-Verwaltungswirtin mit einem Strahlen im Gesicht. Moment mal, wieso sortiert man als Auszubildende des Rother Landratsamts in der Hilpoltsteiner Tafel-Ausgabestelle Obst und Gemüse aus? Tut man, wenn man Teil eines besonderen Projekts ist.

Dieses hat die 23-Jährige und ihre Kollegin Judith Kipf für einen Tag ins Awo-Zentrum verschlagen – andere Auszubildende folgen an anderen Terminen. „Super interessant“, werden die beiden ihren ungewöhnlichen Arbeitstag später zusammenfassen. Der beginnt so, wie es für „das Gemüseteam“ der Ausgabestelle jeden Mittwoch los geht: Äpfel, Salat, Tomate und Co. durchschauen und anrichten.

Das gilt für alles, was die Hilpoltsteiner Einrichtung seit vielen Jahren anbietet. Die beiden jungen Frauen sind überrascht: Über Auswahl, Menge und wie einladend alles angerichtet ist. „Wir sind in der Tat ein kleines Lebensmittelkaufhaus“, muss Lothar Pauli, Vorsitzender des eingetragenen Vereins Rother Tafel, die die Außenstelle in der Burgstadt betreibt, ob dieser Aussage schmunzeln.

Rund 80 Haushalte, also etwa 160, 170 Personen, versorgt die Tafel, Tendenz laut Pauli leicht steigend. Allerdings hat sich das Klientel gewandelt. „Die Ukrainer sind fast weg“, erklärt er, „weil viele mittlerweile Jobs haben“. Um einen reibungslosen Start der Lebensmittelausgabe um 13.30 Uhr zu gewährleisten, beginnen drei Ehrenamtliche bereits um 7.30 Uhr damit, die Lebensmittel von den umliegenden Märkten und Bäckereien einzusammeln. Ab etwa 9.30 Uhr, nach der ersten Warenanlieferung, übernehmen die Frauen – in Hilpoltstein, wie Pauli sagt, „gehen Männer ab“ – die Vorbereitung und Aufarbeitung der Ausgabe. Dank des ausreichend großen Pools an Ehrenamtlichen kommt dabei jeder nur einmal im Monat zum Einsatz.

„Wir machen´s gerne“, sagen die, die Antonia und Judith an diesem Tag in ihre Mitte nehmen – „super herzlich“, wie die beiden betonen. „Wenn´s einem gut und anderen schlechter geht, sollte man was tun“, beschreibt eine Hilpoltsteinerin ihre Motivation. Außerdem komme viel zurück, die Dankbarkeit wird oft mit dem Satz ausgedrückt: „wir sind so froh, dass wir euch haben“. Was sie aber nachdenklich macht: Die Ehrenamtlichen sorgen sich um die, die sich nicht trauen, zur Tafel zu gehen. Besonders denken sie dabei an deutsche Frauen mit spärlicher Rente. „Die Not ist da.“

Es sind auch Einschätzungen wie diese, die den Tag für die beiden jungen Landratsamt-Mitarbeiterinnen so wertvoll machen. Und: „Man hat vorher keine Vorstellung, wie das abläuft und was dahintersteckt.“ Das gilt nicht nur für die Vorbereitung, sondern besonders auch die Lebensmittelausgabe. Schon, dass die Kunden nur auf das deuten dürfen, was sie haben möchten, war „neu“.

Dann müssen die Mitarbeiter ein Auge auf die Menge haben. „Ein Single bekommt weniger als eine Frau mit der Personenzahl vier plus am Ausweis“, erklärt Judith Kipf. Letzterer ordnet die Kunden auch einer Gruppe zu. Damit alle die Chance haben, mal als erstes auswählen zu dürfen, rotiert deren Reihenfolge. Denn gerade das Besondere – an diesem Nachmittag unter anderem Garnelen - ist in der Natur der Sache liegend rar und folglich schnell vergriffen.

„Alle waren total nett, dankbar und geduldig“, fassen die beiden angehenden Verwaltungswirtinnen die zweieinhalb Stunden Ausgabe zusammen. Lothar Pauli und seine Helferinnen bestätigen, dass dies nicht nur eine Momentaufnahme ist. „Einer von 100 ist mal dabei…“ Was mit darauf zurückzuführen sein könnte, dass Mengen- oder Produktwünsche nicht nur mit einem „Nein“ abgetan würden, sondern erklärt. Meist wäre dann Verständnis da.

Dass das Sortiment der Ausgabestelle groß ist, verdankt sie in erster Linie ihrem Netzwerk. Die Supermärkte und Bäckereien der Umgebung seien starke Partner, ein Biohof stellt ebenfalls regelmäßig kistenweise Gemüse bereit. Zwei Hühnerfarmen liefern rund 2000 bis 3000 Eier pro Jahr, Obst- und Gartenbauvereine stiften zur Saison Obst oder auch selbstgepressten Apfelsaft.

Zusätzlich können Sammellager genutzt werden oder Überproduktionsangebote abgeholt werden, bei denen sich auch eine längere Anreise lohnt. Während sich Kunden folglich so gut wie immer zum Sahnejoghurt greifen können, sind Milch und Butter stets Mangelware. Lothar Pauli ist froh, dass der Verein dafür eine Rückfallebene hat in Form eines spendenbasierten Budgets, für das er unter anderem beim E-Center und Rewe in Hilpoltstein einkaufen kann.

All das kommt den Bedürftigen zugute – für einen kleinen Obolus: Alleinstehende zwei Euro, zwei drei, ab drei Personen sind vier Euro fällig. Weitere Besonderheit der Tafel im Awo-Zentrum, von dem Lothar Pauli als „einem Geschenk Gottes spricht“: Es gibt einen Bereich namens „Wer will, der kann“ (und der am Ende des Tages immer leergefegt ist). Da finden sich dann schon mal Blumensträuße, Hefte, Kleidungsstücke, Taschen – Dinge, die sonst unerschwinglich wären.

Dinge, die zudem „berühren“, wie Judith Kipf und Antonia Korn unterstreichen. Egal, ob sie zur eigentlichen Stellenbeschreibung passen oder nicht…

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