
"Kunst hält jung"
Landrat Ben Schwarz suchte den Austausch mit Spectrum-Vorsitzendem Heinz-Peter Lehmann – und erfuhr Erstaunliches
Stand: 20.04.2025
Die Frage war bewusst ein wenig provokant gewählt: Ob er denn schon die Gelegenheit hatte, in der Chronik zu blättern, wollte Heinz-Peter Lehmann von Landrat Ben Schwarz wissen. „Ehrensache“, konterte der und konnte gleich mit Insiderwissen von Seite 20 aufwarten. Da ist von der „ewigen Suche“ nach einem Domizil die Rede – das ist mittlerweile gefunden. Und Seite 20 war die nicht die einzige Seite, über die der Landrat und der Spectrum-Vorsitzende ins Reden kamen, als sie sich zu einem „Austausch über Kunst“ trafen.
Ben Schwarz hatte Heinz-Peter Lehmann eingeladen, um ihm in Jahr eins nach dem Jubiläum ein wenig auf den Zahn zu fühlen. Wie geht es dem Verein? Wie sind die Perspektiven, was die Herausforderungen? Gleichwohl stand am Anfang eine Feststellung des Landrats: „Wir schauen auf 40 Jahre, in denen Beeindruckendes geleistet wurde.“ An Vernetzung im Kleinen oder Veranstaltungen im Großen. „Die Kunst im Landkreis hat nicht zuletzt dank Spectrum ein Gesicht und eine Plattform.“ Klar sei aber auch: Um Verein und Szene in eine gute Zukunft zu führen, braucht es Nachwuchs. Dass das eine Herausforderung ist, darüber waren sich die beiden Männer einig.
Wie das gelingen kann? Heinz-Peter Lehmann hat Ideen. Ein Ansprechen von Studierenden an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg etwa oder das Aufgreifen aktueller Themen. Beispiel: Die Überschrift der diesjährigen Kunst- und Kulturwoche lautet: Give peace a chance (Gib‘ dem Frieden eine Chance), mit der der Verein bewusst Kante zeigen will. „Das ist unsere Überzeugung, gleichzeitig wollen wir damit neue Kräfte ansprechen.“
Endlich ein Zuhause zu haben, sei sicher ein weiterer Pluspunkt, gab sich Lehmann überzeugt. Dass es gelungen ist, dieses in Rednitzhembach nun zu schaffen, ist allerdings nur ein Punkt in der Erfolgsbilanz, die der 81-Jährige so nie betonen würde. Die Fakten aber sind nicht weg zu streichen: Mit rund 50 Mitgliedern hat er den Verein übernommen, derzeit liegt die Zahl bei 75. Dabei war „über 70 selten“, weiß er – auch deshalb, weil er sich mit fünf weiteren engagierten Mitgliedern für das Buch zum 40. Geburtstag „hineingefuchst“ hat.
Lehmann selbst ist in die Führungsetage von Spectrum über seine Frau gekommen. „Sie hat mich gebeten“, lächelt der gebürtige Augsburger. Das war 2019, als der Verein mal wieder in unruhigen Fahrwassern unterwegs war. Vor knapp fünf Jahren dann übernahm der Bis- dato-Stellvertreter die Verantwortung. „Ich hab damals schon gesagt, dass ich nur eine Übergangslösung bin“, verdeutlicht der fast 82-Jährige mit dezentem Hinweis auf sein Alter. Wobei er überzeugt ist: „Kunst hält jung.“
Als beste Referenz – wenngleich er eine solche nicht gebraucht hätte – brachte Lehmann den Posten als Vorsitzender des Offenen Hauses (OHA) Roth mit, zuvor engagierte er sich in der Flüchtlingshilfe. „Ich wollte im Ruhestand was tun“, sagt er bescheiden. Dann kommt ein Name, der im Gespräch immer wieder fällt: Der von Anne Thümmler. An sie hatte sich der frühere Stabsmitarbeiter in der Nürnberger Stadtverwaltung auf der Suche nach einem Ehrenamt gewandt. Wenngleich Lehmann lieber nach vorne schaut als zurück, macht er im „Fall“ der im Vorjahr verstorbenen Landratsamt-Mitarbeiterin eine Ausnahme: „Wer weiß, wie es gekommen wäre, wenn sie eine andere Idee für mich gehabt hätte.“
So wurde es Spectrum. Noch. Das treibt den fitten Senior um, schließlich ist kein potenzieller Nachfolger in Sicht. Wobei der nicht zwingend aus Reihen der Mitglieder kommen und auch kein Künstler sein muss, betont Lehmann. Das „Anforderungsprofil“ sehe eher jemanden vor, der motivieren und Kontakte knüpfen kann.
Weitere Erfolgsgeschichte: Die Treffen im Café Grimm, üblicherweise jeden Freitag von zehn bis zwölf. „Das ist schon so was wie die Seele des Vereins geworden“, formuliert es Heinz-Peter Lehmann bewusst moderat. Allerdings kann er sich einen gewissen Stolz nicht verkneifen, dass zwischen zehn und 25 Personen das Angebot wahrnehmen. „ Das zeigt, dass wir nah an der Wirklichkeit agieren.“
Lehmann hat eine Menge Argumente, warum es sich lohnt, sich gerade als Spectrum-Vorsitzender zu engagieren. Bereichernde Gespräche, beeindruckende Begegnungen, dazu „Anforderungen an die geistige Fitness“, reißt er an. Nicht zu unterschätzen ist der psychologische Effekt: „Das hat mir Lebensmut gegeben.“
Auch dank Menschen wie Maler und Gründungsmitglied Jonathan alias Günther Müller, mit den ihn längst eine Freundschaft verbindet. „Schon alleine die sind ein Grund, mitzumachen. “ Jonathan, inzwischen 91 Jahre alt, habe ihm vorgelebt, wie es gelingen kann, im Geist jung zu bleiben. „Dadurch ist mein eigenes Altern einfacher geworden.“
Bleibt die Kunst. Lehmann erzählt von Steinmetzkursen bei Verena Reimann und anderen Vorstößen, die er unternommen hat. „Das war richtig schön.“ Einen inneren Andrang verspürt er indessen nicht, „ich mach‘ einen Haken dran“. Was er allerdings in der mittlerweile jahrzehntelangen Berührung mit Kunst unterschreiben kann: „Jeder kann Kunst, man muss sich nur trauen."
Über den Verein selbst und seine Zeit als Vorsitzender und seit 2019 als Vize kann er nur Gutes berichten. Egal, ob bei der Änderung der Satzung (die er als erstes Projekt verschlankt hat), bei Vorbereitungen der großen Ausstellungen oder der 100 Seiten starken Chronik zum 40-jährigen Bestehen 2024 – nennenswerte Tiefpunkte gab es nicht, unterstreicht der Wahl-Rother. Dafür etwas anderes: „Wir haben viele rührige Mitglieder.“ Nur den Hut will gerade offenbar niemand aufsetzen. Betonung auf „noch“ – sind Ben Schwarz und Heinz-Peter Lehmann überzeugt. Weil: „Die Kunst im Landkreis ist dies, das und alles wert.“